ZEIT ONLINE

2022-12-08 12:21:11 By : Mr. Alvin Huang

Seit einer Weile suche ich einen Nachfolger für mein Smartphone, das etwas in die Jahre gekommen ist. Der Anspruch ist: Es soll aktuell sein, aber nicht zu teuer, weshalb das neue Samsung Galaxy S21 oder das iPhone 12 nicht meine erste Wahl wären. Vergangenen Herbst dachte ich, mit dem Google Pixel 5 das passende Gerät gefunden zu haben. Nun allerdings gibt es einen Herausforderer: Das OnePlus 9 beziehungsweise das OnePlus 9 Pro.

OnePlus war lange Zeit so etwas wie der coole Nischenhersteller schlechthin. Als das chinesische Unternehmen 2014 sein erstes Modell herausbrachte, sollte es mit den damals besten Android-Handys konkurrieren, aber nur halb so viel kosten. Der Plan ging halbwegs auf, dafür konnten es nur Ausgewählte per Einladung kaufen, was OnePlus einen Nimbus der Exklusivität einbrachte. Von beiden Konzepten hat man sich längst verabschiedet: Das Invite-System wurde mit der dritten Generation abgeschafft und seit dem OnePlus 5 liegt der Preis oberhalb von 500 Euro. In Deutschland ist OnePlus immer noch vergleichsweise unbekannt, dafür konnte das Unternehmen zuletzt in Indien und in den USA die Absätze steigern.

Die Preise für das OnePlus 9 und 9 Pro beginnen bei 699 Euro beziehungsweise 899 Euro. Das ist deutlich mehr als die 600 Euro für das Pixel 5 und eher im Bereich des Samsung Galaxy 21 angesiedelt. Allerdings ist die Ausstattung des 9 Pro zum Teil mit der des S21 Plus und S21 Ultra vergleichbar, und die kosten noch einmal mehr. Somit sind die OnePlus-Modelle zwar keine Schnäppchen, aber dennoch preislich akzeptabel – wenn sie denn halten, was sie versprechen.

Um das herauszufinden und um zu testen, ob sich die neue Kooperation mit dem legendären Kamerahersteller Hasselblad bemerkbar macht, habe ich beide Modelle eine Woche lang im Alltag ausprobiert. Am Ende habe ich ein Smartphone gefunden, das zwar nicht in allen Einzelkategorien absolute Spitzenwerte erreicht, aber trotzdem im Gesamtpaket überzeugt. So sehr, dass es OnePlus mit den Topmodellen der etablierteren Hersteller aufnehmen kann.

Was beim Auspacken des OnePlus 9 sofort auffällt: Es ähnelt vom Aussehen her dem Samsung Galaxy S20 aus dem vergangenen Jahr. Lediglich die Kameras sind etwas anders angeordnet und es gibt einen Stummschalter am rechten Rand. Den kennt man von iPhones , bei Android-Geräten sieht man ihn eher selten, obwohl er durchaus praktisch ist. Auf die glänzende Alu-Rückseite des Testgeräts in der Farbe "Morning Mist", einer Art graublau, könnte ich dagegen verzichten; einzig die schwarze Pro-Variante gibt es auch mit matter Rückseite, die besser zum derzeitigen Smartphone-Trend – und meinem persönlichen Geschmack – passt.

Der Bildschirm des OnePlus 9 Pro ist an den Rändern leicht gekrümmt, der des OnePlus 9 ist eben. Das Pro-Modell ist mit einem 6,7 Zoll großen Bildschirm etwas größer als das Standardmodell (6,55 Zoll), was aber in der Hand kaum auffällt. Das 9 Pro bietet eine maximale Auflösung von 3.216 mal 1.400 Pixeln (die man allerdings erst in den Einstellungen aktivieren muss), das 9 kommt auf 2.400 mal 1.080 Pixel. 

In beiden Fällen ist der Bildschirm exzellent, was auch an hohem Kontrast und der Bildwiederholrate von bis zu 120 Hertz liegt. Die Kombination führt zu kräftigen Farben und ruckelfreiem Scrollen durch Apps wie Instagram. Mit diesem Bildschirm kann das günstigere Google Pixel 5 nicht mithalten, dass allerdings auch insgesamt kleiner und kompakter ist. Das Oneplus ist schon ein Handy für größere Hosentaschen.

Ebenfalls sehr gut funktioniert der Fingerabdrucksensor, der direkt in den Bildschirm integriert ist. Zwar gäbe es auch die Möglichkeit, das Smartphone per Gesichtserkennung zu entsperren, aber der Fingerabdruck funktionierte während meiner einwöchigen Testphase so zuverlässig, dass ich nie das Bedürfnis hatte, eine andere Option zu wählen.

Gewöhnungsbedürftig ist für mich, dass es von Haus aus kein LED für Benachrichtigungen gibt und somit auch kein Licht, das den Ladezustand anzeigt. Wer wie ich keine akustischen Signale möchte, sondern bloß visuelle Benachrichtigungen, muss deshalb entweder das Always-On-Display aktivieren, auf dem dann die eingehenden Nachrichten angezeigt werden oder Umwege über Apps von Dritten nehmen: Mit deren Hilfe konnte ich das OnePlus 9 schließlich dazu bringen, mir beim Empfang von WhatsApp-Nachrichten, E-Mails oder bei voller Akkuladung einen farbigen Ring um die Selfie-Kamera herum anzeigen zu lassen. Das sieht ziemlich schick aus, erfordert aber etwas Arbeit.

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Was die Kamera angeht, arbeitet OnePlus erstmals mit Hasselblad zusammen. Das schwedische Unternehmen ist für seine teuren Kameras bekannt, mit der so manche ikonischen Fotos aufgenommen wurden, etwa von der Mondlandung. Allein der Name Hasselblad versprüht einen Hauch von Erhabenheit.

Ob sich die Tradition auf die Qualität einer Smartphone-Kamera auswirkt, ist eine andere Frage. Huawei etwa arbeitet schon seit Längerem mit der deutschen Traditionsfirma Leica zusammen, und die Kritik war seit jeher, dass es sich bei der Partnerschaft vor allem um Branding, also um PR handelte: Huawei bezahlt Leica mutmaßlich vor allem dafür, deren Namen auf die Smartphones drucken zu dürfen. Und nicht etwa dafür, gemeinsam ein komplett neues Kamerasystem zu entwickeln. Das wird wohl im Fall von Hasselblad und OnePlus nicht viel anders sein, auch wenn OnePlus beteuert, dass in jedem Fall ein technischer Austausch stattfinde.

Im OnePlus 9 konzentriert sich die zunächst auf drei Jahre befristete und 150 Millionen US-Dollar teure Zusammenarbeit zunächst auf die "natürliche Farbkalibrierung" sowie den Pro-Modus in der Kamera-App, in dem sich verschiedene Aufnahmeparameter manuell anpassen lassen. Soll heißen: Es gibt einen Hasselblad-typischen, orangefarbenen Auslöseknopf, ein Hasselblad-typisches Auslösegeräusch und die Farbabstimmung der Fotos soll ebenfalls in enger Zusammenarbeit mit den schwedischen Spezialistinnen stattgefunden haben. Aber merkt man das in der Praxis?

Nun ja. Eine Woche lang habe ich das OnePlus 9 Pro mit seinen vier Kameralinsen (eine Weitwinkelkamera mit 48 Megapixeln, eine 50 Megapixel-Ultraweitwinkelkamera, eine Telekamera mit acht Megapixeln und eine Zwei-Megapixel Monochrom-Kamera) getestet und dabei vor allem mit dem Pixel 5, aber auch mit einem iPhone 10 und meinem älteren Samsung S8 verglichen. Ich könnte nun nicht behaupten, dass die Farbkalibrierung des OnePlus 9 Pro in irgendeiner Weise besonders oder besonders auffällig sei.

Scharf, schärfer, zu scharf?

Insgesamt würde ich das Kamerasystem als gut bewerten, aber nicht ganz auf dem Level von Samsung oder Apple. Der Teufel steckt buchstäblich im Detail: Die Aufnahmen bei Tageslicht sehen auf den ersten Blick fast immer gut aus, wobei sie im direkten Vergleich mit dem Pixel und iPhone zu etwas kühleren Farben tendieren, die aber insgesamt der Realität recht nahekommen und nicht übersättigt sind. Auffällig werden die Unterschiede, wenn man die Fotos vergrößert oder die Telefotolinse einsetzt. Hier zeigt sich, wie das OnePlus 9 zur Überschärfung neigt, was sich in teilweise deutlichen Artefakten (siehe Vergleichsbilder) zeigt: Und je mehr man vergrößert, desto mehr verschmieren Details zu einem Brei. Das Problem haben andere Smartphones zwar auch, doch im OnePlus ist mir der Effekt bei manchen Aufnahmen stärker aufgefallen – und nicht nur mir, sondern auch anderen Testern.

Ein Problem ist das deshalb noch nicht, schließlich betrachtet man Smartphone-Bilder selten in der Originalgröße oder druckt sie in Großformat aus. Wenn ich die Aufnahmen bei Instagram oder über WhatsApp in gängigen Auflösungen teile, merke ich von den negativen Effekten kaum etwas, sondern sehe vor allem gute Bilder mit hohem Kontrast, naturgetreuen Farben und vielen Details. Also genau das, was ich von einer Smartphone-Kamera erwarte. Es ist also Jammern auf hohem Niveau.

Zumal die Kamera des OnePlus 9 Pro in anderen Situationen trumpfen kann. Etwa wenn es um Weitwinkelaufnahmen geht. Hier sorgt eine neue Linsenkonstruktion dafür, dass der Fischaugeneffekt verringert wird, es also weniger Verkrümmungen an den Rändern gibt. Das ist subtil, aber erkennbar. Bei schlechteren Lichtverhältnissen wird automatisch der Nachtmodus aktiviert, der selbst verdunkelte Hinterhöfe noch ziemlich gut ausleuchtet und lebendige Nachtaufnahmen liefert – teilweise sogar bessere als das Pixel 5. Auch der Porträtmodus ist ähnlich gut wie der im iPhone oder Pixel und sorgt in den meisten Fällen für eine gut berechnete Tiefenunschärfe. Und mit dem Makromodus kann man auf bis zu drei Zentimeter an Motive herantreten.

Somit liefert die Kamera des OnePlus 9 Pro letztlich eine gute Leistung in den meisten Szenarien. Das Gleiche ließe sich wohl auch über das OnePlus 9 sagen, das auf die zusätzliche Telefotolinse verzichtet, ansonsten aber das gleiche System wie das Pro-Modell enthält. Die Kooperation mit Hasselblad scheint zum jetzigen Zeitpunkt vor allem kosmetischer Natur zu sein.

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In anderen Aspekten überzeugt das OnePlus 9 vollends. Etwa, was den Akku angeht, oder genauer: das Laden. In den vergangenen Jahren haben praktisch alle Hersteller ihre eigenen Schnellladetechniken entwickelt, doch kaum eine hat mich bislang so beeindruckt wie die von OnePlus: Per Kabel lädt das OnePlus 9 Pro in 30 Minuten von null auf 100 Prozent, und selbst kabellos geht es über die separat erhältliche Ladestation (70 Euro) nur unmerklich langsamer. Der volle Akku hält locker einen Tag, im Homeoffice auch problemlos eineinhalb bis zwei.

Beide Modelle enthalten den gleichen Prozessor, der auch in Samsungs aktuellem Spitzenmodell S21 verbaut ist, nämlich den Snapdragon 888. Als Speicher gibt es wahlweise mit 128 oder 256 Gigabyte, eine zusätzliche Erweiterung per SD-Karte ist nicht möglich. Dafür lässt sich eine zweite Sim-Karte einbauen. Der neue Mobilfunkstandard 5G wird ebenso unterstützt wie WiFi-6, die Käuferinnen und Käufer sind also für die kommenden Jahre gerüstet, wenn beide Standards weiter verbreitet sind. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann: Das Pro-Modell ist wasserdicht nach IP68-Standard, das normale OnePlus 9 dagegen nicht. Im Jahr 2021 sollten das alle Handys in dieser Preisklasse anbieten. 

Was die Software angeht, war ich zunächst skeptisch: OnePlus verwendet eine eigene Android-Version namens OxygenOS auf Basis von Android 11, und meine Erfahrung mit angepassten Android-Systemen war in den vergangenen Jahren nicht immer positiv: Entweder waren sie mit unnötigen Partner-Apps und Funktionen aufgeblasen oder hingen mit Updates gegenüber dem "puren" Android, wie es auf Googles Pixel-Geräten läuft, nach.

In der Hinsicht hat mich OxygenOS überrascht. Das System ist nicht nur schnell, sondern auch erfreulich minimalistisch und übersichtlich. Die Einstellungen sind logisch aufgebaut, die einzige vorinstallierte App von Dritten ist Netflix (es gibt also Schlimmeres), und anders als etwa bei Samsung werde ich nicht ständig daran erinnert, doch bitte meinen Samsung-, beziehungsweise OnePlus-Account einzurichten oder alle meine Daten in die Cloud zu schieben. Apropos Einrichtung: Das Kopieren von Apps bei der Einrichtung funktionierte über die OnePlus-App selbst über WLAN problemlos.

Auch die Bedienung des Smartphones gefällt mir. Im Vergleich zum Standard-Android gibt es einige zusätzliche Gesten und Funktionen. Etwa, dass man mit zwei Fingern über das ausgeschaltete Display streichen kann, um die Musik zu pausieren oder abzuspielen – das ist praktisch, etwa beim Autofahren. Oder man kann ein "S" zeichnen, um sofort die Selfie-Kamera zu öffnen. Und ein zusätzliches Menü, das beim Swipen von oben nach unten erscheint, erlaubt, zusätzliche Widgets wie etwa einen Schrittzähler einzurichten oder Notizen zu verfassen. Bleibt nur zu hoffen, dass OnePlus auch Sicherheitsupdates künftig schneller und vor allem auf längere Zeit hin liefert – die Updatepolitik des Herstellers wird immer wieder kritisiert.

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Nach einer Woche im Alltagstest kann ich sagen: Das OnePlus 9, beziehungsweise das OnePlus 9 Pro, sind heiße Kandidaten, um die Nachfolge meines bisherigen Android-Handys anzutreten. Obwohl sie beide teurer sind als das Pixel 5, was angesichts der besseren Hardware nicht überrascht, überzeugt mich das Preis-Leistungs-Verhältnis – gerade im Vergleich mit der direkten Konkurrenz von Samsung.

Obwohl die Kamera nicht ganz mit anderen Spitzenmodellen mithalten kann und das Design nicht wirklich neu ist, gefällt mir das Gesamtpaket: Der Bildschirm, das Schnellladen, der Stummschalter an der Seite und die vielen kleinen Optimierungen im Betriebssystem, all das macht das OnePlus 9 zu einem der derzeit besten Android-Smartphones, das nicht von Samsung kommt.

Da Google mit dem Pixel inzwischen das Mittelklassesegment anvisiert, Huawei aufgrund politischer Verflechtungen keine Google-Dienste mehr benutzen darf und Xiaomi in Europa immer noch nicht wirklich angekommen ist, könnte OnePlus eine ernstzunehmende Alternative für alle Nutzerinnen und Nutzer sein, die mit dem nächsten Smartphone vielleicht mal einen anderen Hersteller ausprobieren möchten.

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Hier noch einige Vergleichsbilder zwischen dem OnePlus 9 Pro und dem Google Pixel 5. Alle Aufnahmen wurden, soweit möglich, im Automatikmodus und ohne zusätzliche HDR- und Motiverkennungseinstellungen vorgenommen. Weil Vergleiche außerhalb von Laborbedingungen immer schwierig sind und von verschiedenen Faktoren abhängen, dienen sie lediglich als grobe Orientierung.

Transparenzhinweis: Das im Artikel beschriebene OnePlus 9 und OnePlus 9 Pro hat der Autor nach fachlichen Kriterien getestet. Sie wurden ihm für den Testzeitraum vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt.

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Es gibt ein schlagendes Argument gegen das Oneplus 9 im Vergleich zu Samsung: Oneplus 9 wird in China produziert. Europ sollte durch seinen Konsum nicht dieses System finanzieren.

der war gut ..dann bitte nicht in Ohnmacht fallen...Apple lässt viele Komponenten seiner Produkte ..halten sie sich fest : In China Produzieren !

Sehen Sie sich mal die Innereien Ihres PC an und wo diese herkommen.

Habe aktuell das Pixel 4a. Reicht für alles überall hin.

An 700 Euro ist daran gemessen überhaupt nichts "akzeptabel".

Niemand bei Verstand täte in vergleichbaren Beschaffung anderer Alltagsgegenstände ähnliche Preisdifferenzen bei nur geringfügigen Verbesserungen gegenüber Referenzprodukten für irgendwie rational erachten.

Was kann das von Ihnen vorgestellte Gerät so viel besser, dass es über 100 % mehr kostet als zum Beispiel Pixel 4a. Was rechtfertigt diesen Preisabstand? Die Software ist es schon mal nicht.

OnePlus ist mir seit geraumer Zeit leider zu teuer aber an BBK führt für mich kein Weg vorbei.

Realme ist die Marke der Stunde für mich.

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