Provokanter Bürgermeister krempelt Stadt radikal um: Erst kommt der Klimaschutz - EFAHRER.com

2022-12-08 12:23:58 By : Ms. Sherly Woo

An Boris Palmer scheiden sich die Geister: Populist für die einen, Macher für die anderen. Seine Klimaschutz-Erfolge als Tübinger OB müssen aber auch die Kritiker anerkennen. Das sind seine Projekte.

Im Oktober ist Boris Palmer erneut als Oberbürgermeister ins Tübinger Rathaus eingezogen. Er tat dies mit dem Selbstbewusstsein eines unabhängigen Kandidaten, weil zwischen ihm und seiner Partei gerade Unfriede herrscht. Seine Mitgliedschaft bei den Grünen ruht.

Palmer holte im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit und verkündete danach: "Für mich ist das ein Auftrag, die ökologische Transformation der Stadt voranzubringen."   

Dass er es mit der ökologischen Transformation ernst meint, beweisen nicht nur Zielvorgaben (Klimaneutralität Tübingens bis 2030) und Sätze wie: "Ich habe eine klare Überzeugung: Klimaschutz ist die Aufgabe unseres Jahrhunderts." Es sind vor allem die bereits erzielten Erfolge, die den oft provokant agierenden Boris Palmer gut dastehen lassen – und zugleich das Versagen anderenorts offenlegen. Zwischen 2006 und 2019 wurde der durchschnittliche CO₂-Ausstoß pro Kopf in Tübingen um 40 Prozent reduziert. Davon kann man bundesweit nur träumen. Wie aber macht Boris Palmer das?

In einem Interview, das spiegel.de, veröffentlicht hat, finden sich einige Beispiele. Da geht es zum Beispiel um eine Photovoltaik-Anlage an der Bundesstraße, die nach einem sage und schreibe achtjährigen Genehmigungsverfahren in nur acht Wochen gebaut werden konnte. Heute, so Oberbürgermeister Boris Palmer, versorge sie 260 Haushalte mit Ökostrom und sei eine "Gelddruckmaschine". Der Strom koste in der Produktion rund sechs Cent pro Kilowattstunde, verkaufen könne man ihn an der Strombörse für 30 Cent. Und Palmer fügt gleich noch hinzu: "Der billigste Strom, den wir in Deutschland heute herstellen, ist der aus Wind und Sonne."

Dass Genehmigung Jahre dauern, sieht Palmer nicht ein. Ginge es nach ihm, könnten alle Flächen zwischen den Auf- und Abfahrten von Bundesstraßen und Autobahnen standardmäßig mit Solaranlagen bestückt werden. In diesen Zonen, die für den Straßenbau schon aufgebaggert und untersucht wurden, gebe es keine seltenen Pflanzen und Tiere. Es sei einfach ungenutzter Platz, der für die Energiewende genutzt werden könne, ereiferte er sich erst kürzlich bei "Markus Lanz" im ZDF. Gegenargumente waren keine zu hören.

In Tübingen sind die Parkgebühren für Autos hoch, dafür gibt es Hunderte moderne Stellplätze für Fahrräder an zentralen Orten wie dem Hauptbahnhof, viele davon kostenlos. Eine blau gekennzeichnete "Radvorrangroute" zieht sich quer durch die Stadt. Seit 2018 besteht in Tübingen eine Photovoltaik-Pflicht für Neubaudächer. Die behagt nicht allen, aber die Dächer liefern Strom.

Es sind nur einige Beispiele von vielen, und nicht einmal die spektakulärsten. Man könnte auch auf die Kläranlage verweisen, die Faulgas zum Heizen des nahe gelegenen Wohngebiets liefert – und so knappes und teures Erdgas ersetzt. Oder auf die LED-Straßenbeleuchtung, die Palmer zufolge entgegen geltenden Normen dank Bewegungssensoren und intelligenter Vernetzung gedimmt wird, wenn niemand vorbeikommt. Stromersparnis laut Palmer: 80 Prozent.

Die selbst dimmende Beleuchtung soll in den kommenden Jahren in weiteren Stadtteilen Tübingens installiert werden. Und in der Kläranlage arbeitet man daran, auch die Wärme des Abwassers für grünen Strom zu nutzen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Sechs Millionen Wärmepumpen sollen bis 2030 in Deutschland installiert sein. So das Ziel des deutschen...

Damit eine Solaranlage langfristig funktioniert und man optimal gegen alle Gefahren abgesichert ist, fallen in...

Derzeit gibt es besonders hohe THG-Summen für E-Auto-FahrerInnen - bis zu 420 Euro sind garantiert drin. Doch das...